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Nahrung bei Schluckstörungen – die Konsistenz macht´s

Das Lukas-Krankenhaus Gronau, ein Haus der Johanniter GmbH, beherbergt eine der ältesten Geriatrie-Stationen in Nordrhein-Westfalen und ist anerkanntes Fachkrankenhaus. Im Rahmen der Betreuung geriatrischer PatientInnen sind Ernährung und auch die Dysphagien Schwerpunkte der Behandlung. 
 
Nahrung bei Schluckstörungen - Besuch im Lukas-Krankenhaus
Mit großer Begeisterung kümmert sich das multiprofessionelle Team um die Patienten mit Kau- und Schluckbeschwerden im Lukas-Krankenhaus Gronau. Von links nach rechts: Corvin Kniffka, WIVO GmbH, Olaf Aschemeyer, apetito catering, Julia Reckers, Gesa Dannemann, beide apetito AG, Sascha Dahms, Claudia Koegler, Frauke Martinek, Judith Weiter, Petra Göller, Stefan Rittmeyer, alle Lukas-Krankenhaus, Marius Himmler und Sabine Klute, beide apetito AG.

Der Begriff Dysphagie bedeutet Schluckstörung: Essen und Trinken sind schwierig oder sogar unmöglich. Die Folgen sind Mangelernährung und Dehydration; bei Eindringen von Nahrung in die Atemwege kann es auch zu der gefürchteten Aspirationspneumonie kommen. Eine Dysphagie bedeutet eine erhebliche Beeinträchtigung der Lebensqualität und auch eine Gefährdung der Gesundheit.

Rund fünf Millionen Menschen sind in Deutschland von Dysphagie betroffen. Je höher das Lebensalter, desto höher die Wahrscheinlichkeit zu erkranken: unter den geriatrischen PatientInnen (über 70 Jahren) kann man laut aktuellen Studien von einem der Anteil von 50% schluckgestörten Menschen ausgehen. Dies entspricht auch dem Bild im Lukas-Krankenhaus: „Wenn wir vor zehn Jahren vielleicht ein Viertel der PatientInnen aufgrund von Schluckstörungen betreut haben, so sind dies mittlerweile bis zu zwei Dritteln“ so Frauke Martinek, Diplom-Logopädin (NL). 

Das multidisziplinäre Ernährungsteam unter der Leitung von Petra Göller, Ärztin im Lukaskrankenhaus, verfügt über besondere Expertise in der Behandlung von Patienten mit Schluckstörungen. Schon seit vielen Jahren erhalten diese während ihrer Behandlung eine an ihre individuellen Bedürfnisse angepasste Kost – um sicherzustellen, dass sie sich nicht verschlucken und dennoch möglichst alltägliche Nahrung erhalten. 

Allerdings war dies bislang mit einem stetigen, enormen Aufwand verbunden. Während Früh- und Spätmahlzeiten leichter anzupassen waren, mussten alle Gerichte, die den stationären Patienten mittags angeboten wurden, erst einmal getestet und in selbst festgelegte Kategorien eingeordnet werden. Auch gab es in Deutschland bisher keinen allgemein gültigen Standard für solche Nahrung. Die Ernährung war also nur gesichert, solange ein Patient im Lukaskrankenhaus behandelt wurde. Wer entlassen wurde, erhielt Informationsmaterial mit umfangreichen Beschreibungen der empfohlenen Kostformen, um die Gefahr von Missverständnissen zu minimieren. 

Um den Patientinnen und Patienten auch geeignete Mahlzeiten während des Krankenhausaufenthaltes anbieten zu können, haben sich die Fachabteilungen Logopädie, Ernährungsmanagement und Geriatrie gemeinsam mit der WIVO, Wirtschafts- und Versorgungsdienst der Johanniter GmbH, und apetito Mitte letzten Jahres auf den Weg gemacht, eine Lösung zu finden.

 

Mit Gemeinschaftsleistung zum Erfolg

So war es ein kleiner Schritt für die WIVO, auf apetito catering zuzugehen und ein geeignetes Servicepaket aufzusetzen. apetito catering B.V. & Co. KG, ist die Service- und Cateringgesellschaft innerhalb der apetito Firmengruppe und steht dem Lukas-Krankenhaus seit 2018 mit ihren Liefer- und Beratungsleistungen zur Seite. Dabei werden texturadaptierte Menüs eingesetzt, die die apetito AG kocht - seit 2018 nach dem internationalem Standard IDDSI (International Dysphagia Diet Standardisation Initiative). Was in England bereits gesetzlich untermauert ist, soll nun auch in Deutschland gelebte Praxis für PatientInnen mit Kau- und Schluckbeschwerden werden. 

„Durch die besondere Kompetenz in den jeweiligen Business-Units können wir nun die ganztätige Versorgung der Dysphagie-Patienten im Lukas-Krankenhaus gewährleisten,“ so Olaf Aschemeyer, Vertriebsleiter apetito catering. „Bei allem Fokus auf spezielle Bedürfnisse und Sonderverfahren dürfen die Prozesse in Küche und Pflege natürlich nicht in Mitleidenschaft gezogen werden. Es muss effizient bleiben, und das haben wir durch standardisierte Produkte und Prozesse geschafft“ ergänzt Corven Kniffka, Kaufmännischer Leiter der WIVO.

Der auf IDDSI basierende Produktstandard ermöglicht den Betroffenen Sicherheit bei der Auswahl geeigneter Speisen. „Denn wenn Schlucken zum Problem wird, zählt jeder einzelne Löffel“, beschreib Gesa Dannemann, Ernährungswissenschaftlerin bei der apetito AG, die Bedeutung der Produkte für Fachpersonal und Patienten gleichermaßen.

„Das IDDSI Konzept gibt uns die Möglichkeit, die Patienten mit der Nahrung zu versorgen, die sie noch kauen und schlucken können. So vermeiden wir Degeneration nicht benutzter Strukturen, denn: use it or lose it ist ein Prinzip des Körpers. Was der Körper nicht nutzt, geht verloren. Das muss verhindert werden“ so Frauke Martinek weiter. Ihre Kollegin Judith Weiter (Klinische Linguistin BKL) ergänzt: „Wir müssen unbedingt die sogenannte No-Use-Schädigung vermeiden. Das ist mit IDDSI deutlich leichter, denn die Schluckkoststufen sind an die physiologischen Gegebenheiten des Menschen angepasst“. 

Ein weiterer, eng verbundener Aspekt ist die Malnutrition, also die Mangelernährung. „Alte Menschen essen meist wenig, darum muss die Nahrung eine optimale Nährstoffbilanz aufweisen,“ so Claudia Koegler, Ökotrophologin und Ernährungsmanagerin im Lukaskrankenhaus. „Ein Defizit an Nährstoffen verschlechtert auch eine bestehende Dysphagie weiter, verstärkt die allgemeine Gebrechlichkeit und erhöht so das Risiko für Stürze und Frakturen. Wenn sich der allgemeine Kräftezustand bessert, bessert sich andererseits häufig auch das Schlucken.“

Das Expertenteam um Logopädie, Ernährungsmanagement, Servicegesellschaft und Produktanbieter hat Pläne für die Zukunft: „Unsere Aufgabe neben der Behandlung der Patienten ist unbedingt die Informations- und Wissensvermittlung, um Verständnis für das Krankheitsbild und deren Ernährungsanforderungen zu entwickeln. Die Notwendigkeit einer Sonderkostform bei Dysphagie muss geschärft werden. Denn eines ist klar: Nach dem stationären Aufenthalt muss es für Dysphagie-Patienten im Sinne eines optimalen Heilungsverlaufs weitergehen,“ fasst Stefan Rittmeyer das Engagement aller zusammen.

Durch die engagierte Zusammenarbeit aller ist jetzt schon ein großer Schritt gelungen in Richtung einer sicheren Versorgung von Menschen mit Dysphagien. So kann zukünftig erreicht werden, dass ältere Menschen über Institutionsgrenzen hinweg mit Genuss und zum Wohl von Körper und Seele essen können.

Artikel vom 11.10.2024